Wege
Unter Berücksichtigung der oben diskutierten Erkenntnisse, Theorien und Leitgedanken kann zusammenfassend festgehalten werden, dass für eine effiziente Sprach- und Literacyförderung qualitativ hochwertige, elementarpädagogische Bildungsinstitutionen sowie eine weitreichende Unterstützungsleistung der primären Sozialisationsinstanzen durch pädagogische, kulturelle und soziale Institutionen benötigt werden – und zwar von Geburt an. Vor diesem Hintergrund werden folgende Orientierungspunkte gesetzt:
Will man Bildungsbarrieren abbauen, so werden frühe und aktivierende Bildungsmaßnahmen für Kinder und deren Familien benötigt. Leseförderung wird dabei als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachtet, die in den Familien beginnt und in den Bildungs- und Kulturinstitutionen ihre Fortsetzung findet. Es sollten vor allem Maßnahmen gesetzt werden, die einen Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit leisten und eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung für den Sprach- und Leseerwerb fokussieren. Eltern sollten unter Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen Lebenswelten und Anforderungen professionell beraten und unterstützt werden. Vor dem Hintergrund der im Vorangegangenen genannten und diskutierten Theorien und Forschungsbefunde sollten folgende relevante Maßnahmen gesetzt werden:
Jede Pädagogin und jeder Pädagoge sollte eine Literacyexpertin / ein Literacyexperte sein
Damit ist gemeint, dass jede Pädagogin und jeder Pädagoge einerseits die bestmögliche Bildungssbegleitung für die individuellen Anforderungen der Kinder gewährleistet und andererseits Sprach- und Leseanlässe professionell und situativ anbieten bzw. gestalten kann. Diese pädagogische Arbeit ist im besonderen Ausmaß an folgende Aspekte gebunden: Bestmögliche Ausbildung von Pädagoginnen und Pädagogen, die die Entwicklung der Sprach- und Lesekompetenz durch sprachlich orientierte Methodenkompetenz professionell unterstützen können (Gestaltung der Bildungsarbeit im Kindergarten, die den individuellen (Schrift-)Spracherwerb stützt – Beobachtung und Analyse individueller Bildungs- und Lernprozesse, Sprachstandsbeobachtungen, zeitlich und räumlich uneingeschränkter Zugang zu Literatur, freier Schriftspracherwerb durch spielerisches, entdeckendes und forschendes Lernen, individuelle sprachliche Bildung und Förderung; Ermöglichen von Sprachanlässen in allen Bildungsbereichen). Dies erfordert die bestmögliche Ausbildung von Pädagoginnen und Pädagogen in Hinblick darauf, dass sie in der Lage sind, eine kontinuierliche, systematische Beobachtung (Pädagnostik und Erfassung der Lesesozialisation) durchzuführen, um eine individuell passende Bildungs- und Entwicklungsbegleitung anbieten zu können, sodass die Umsetzung des BildungsRahmenPlans in allen Kindergartengruppen und in der Schuleingangsphase in die pädagogische Praxis einfließen und dies auch in der Dokumentation der Bildungsangebote belegt werden kann.
Notwendige Maßnahmen:
- spezielle Weiterbildungen zur Literacyexpertin bzw. zum Literacyexperten für Kindergartenpädagoginnen und Kindergartenpädagogen sowie für Lehrerinnen und Lehrer
- gemeinsame Aus-, Fort-, und Weiterbildung von Elementar- und Primarpädagoginnen und -pädagogen, um eine durchgängige Sprach(en)bildung zu gewährleisten
Desiderate Forschung
Elementarpädagogische Forschung stellt im allgemeinen pädagogischen Forschungsbereich ein Desiderat dar. Um wissenschaftsbasierte Aus-, Fort- und Weiterbildung garantieren zu können, bedarf es einer institutionalisierten Forschung im Bereich der Elementarpädagogik mit dem Fokus auf die Entwicklung und Unterstüzung des Lese- und Schriftspracherwerbs.
Einrichtung von Lesesupportteams
Erforderlich wäre die Einrichtung von Lesesupportteams, die eine kontinuierliche Begleitung für die Kinder am Übergang Kindergarten-Schule anbieten können und Strategien mit den Kolleginnen und Kollegen in kooperativer Absicht planen. Es handelt sich um Unterstützungsleistung(en) zur Standortentwicklung oder um pädagogisches Zusatzpersonal im Bereich der gemeinsamen Schuleingangsphase, um effektive Strategien für die spezifischen Standorte zu erarbeiten und temporäre pädagogische Zusatzleistungen anbieten zu können. Es sollen spezifische Inhalte und Methoden der sprachlichen Bildung mit den Pädagoginnen und Pädagogen des Kindergartens und der Schule abgestimmt sowie gemeinsame (Kindergarten und Schule) Projekte entwickelt und durchgeführt werden. Die durchgängige Sprachenbildung setzt die Vernetzung aller Bildungsinstitutionen voraus und ist an Instrumentarien gebunden, die im Bereich der Transitionsphase möglichst widerspruchsfrei sind und in beiden Bildungsinstitutionen (Kindergarten und Schule) Anwendung finden können (z. B. Portfolios vgl. BMUKK 2013, S. 7). Erforderlich wäre die Einrichtung von Lesesupportteams, die eine kontinuierliche Begleitung für die Kinder am Übergang Kindergarten-Schule anbieten können und Strategien mit den Kolleginnen und Kollegen in kooperativer Absicht planen.
Notwendige Maßnahmen:
- Standortentwicklungsprozesse in österreichischen Kindergärten etablieren (vgl. SQA an den Schulen)
- gesetzliche Veränderungen, die die Kooperation von Kindergarten und Schule erleichtern
- systematisch einheitliche und evidenzbasierte Ausgestaltung der Schuleingangsphase
- ein gemeinsamer Qualitätsrahmen für den Schuleingangsbereich; dieser erfordert eine einheitliche, strukturelle Ausrichtung
- eine gemeinsame Bildungskonzeption über die Systemgrenzen hinweg
- eine fachliche Absicherung und Standardisierung des Verfahrens zur Ausgestaltung konsistenter Bildungsverläufe
- Fort- und Weiterbildungen von Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen sowie Volksschullehrerinnen und -lerhren zur Gewährleistung professioneller Herangehensweisen im Bereich der Beobachtung und Dokumentation individueller Bildungsprozesse - Schwerpunkt: (Schrift-)spracherwerb
- ein Bundesrahmengesetz zur Qualitätssicherung in elementaren und außerschulischen Bildungseinrichtungen
- Zusätzliche Ressourcen für einen temporären und flexiblen Einsatz der Förderstunden an den Schulen, die nicht an den sonderpädagogischen Förderbedarf oder an andere Etikettierungen gebunden sind. Problematisch erscheint momentan die Ressourcenbindung an das einzelne Kind und der daraus folgende Mangel an Flexibilität des Ressourceneinsatzes, auch zugunsten präventiver und kurzfristig notwendiger Maßnahmen.
Die Einrichtung von Lesenetzwerken
Die Einrichtung von Lesenetzwerken, wie „SUREbookSTART“ auf regionaler Ebene (vgl. Sure Start, vgl. > bookstart, vgl. > Family-Literacy-Programme), welche die Familien unter Berücksichtigung ihrer sozialen Bedingungen einbinden, ermöglicht Eltern vermehrt in Bildungsprozesse der Kinder miteinbezogen zu werden. Sie stellen Synergien von Kindergärten, Schulen, sozialen Diensten und kulturellen Einrichtungen her, um gesellschaftliche Literalität fördern zu können. Mit dem Personal der genannten Institutionen sollen neue Kooperationen und Netzwerke gebildet werden, die Kinder und deren Familien in die „nahe Lesewelt“ einladen. Es handelt sich um Maßnahmen, die den Eltern die Bedeutung der Sprachenbildung verdeutlichen, kulturelle Einrichtungen näherbringen und Qualifizierungsangebote für Eltern ermöglichen (Deutschkurse, Alphabetisierungskurse, Lesestunden mit Eltern, Tipps zur Leseförderung, Elterncafés, „Rucksackmütter“, Eltern-briefe, Lesekonferenzen, Elternbibliotheken an den Kindergärten und Schulen u.a.). Diese besondere Form von soziokulturellen und pädagogischen Maßnahmen kann natürlich nur umgesetzt werden, wenn im Vorfeld ein Bekenntnis zur sozialraumorientierten Bildungspolitik gegeben ist (vgl. sozialraumorientierte Ressourcensteuerung).
Notwendige Maßnahmen:
- Implementierung einer sozialindexbasierten Ressourcensteuerung
- Multiprofessionelle Teams an den Standorten: Verstärkung des Prinzips der Schulsozialarbeit, die auch in den Kindergärten wirksam werden muss, um diese spezifische Form der gemeinwesenorientierten, sozialen Arbeit zu ermöglichen.