In Lesewelten aufwachsen 

Family Literacy 

Die Familie ist die erste Bildungswelt und wichtigste Sozialisationsinstanz des Kindes. Be­reits ab dem Zeitpunkt der Geburt werden verschiedene Basiskompetenzen für Literalität entwickelt.

Kinder erleben Literalität zunächst zu Hause. Gibt es im Haushalt Lesestoff? Gibt es lesen­de Vorbilder in der unmittelbaren Umgebung (z.B. Eltern und ältere Geschwister)? Der international gebräuchliche Begriff „Family Literacy“ bezeichnet einerseits das sprachlich­literarische Milieu in einer Familie, das sich auf vielen Ebenen des täglichen Lebens – oft unbewusst – abspielt (vom Lesen von Rezepten bis zum Surfen im Internet), und anderer­seits die aktive Lese- und Sprachförderung, wie das gemeinsame Anschauen von Bilder­büchern, das Erzählen und Vorlesen von Geschichten, das gemeinsame Reimen. 

Im Sinne der Chancengerechtigkeit braucht es für benachteiligte Familien zusätzlich spe­zifische Förderprojekte. 

Lesen im Kindergarten

Als erste institutionelle Bildungseinrichtung kommt dem Kindergarten in der Hinführung aller Kinder zum Lesen und in der Entwicklung einer lebendigen Lesekultur grundlegende Bedeutung zu. Besonders jene Kinder, die zu Hause wenig literale Erfahrungen machen und Probleme in ihrer Sprachentwicklung aufweisen, können Defizite im Kindergarten durch individuelle Förderung aufholen. 

Lesen in der Schule

Lesen ist nicht nur eine Fertigkeit bzw. Kompetenz zur gezielten Informationsbeschaf­fung, sondern dient zudem der Persönlichkeitsbildung: Emotionale, motivationale und kommunikative Kompetenzen werden beim Lesen ausgebildet und weiterentwickelt. Le­sen ist als Teil einer umfassenden kulturellen Praxis zu sehen, die auch Unterhaltung bzw. das „Lese-Erlebnis“ mit einschließt. Nur wenn Lesen eine kulturelle Praxis in der Schule ist, können sich Lesefähigkeit und Lesekultur herausbilden und Schülerinnen und Schüler sich das Lesen als etwas aneignen, das sie brauchen und wollen. Ziel ist die Ent­wicklung einer breiten Lesekultur innerhalb der gesamten Schule. 

Leseförderung ist nicht Aufgabe nur eines Unterrichtsgegenstands, sondern Anliegen der ganzen Schule. Sie ist entsprechend dem „Grundsatzerlass Leseerziehung“ verpflichten­der Inhalt in allen Unterrichtsfächern, vor allem auch in naturwissenschaftlichen Gegen­ständen. 

Lehrerinnen und Lehrer sind nicht nur Vorbild, sondern setzen in der Leseförderung un­terschiedliche didaktische und methodische Möglichkeiten ein, um gelingende Lesewege zu finden. Um dies zu gewährleisten, müssen Schwerpunkte in der Aus- und Fortbildung gesetzt werden. Auch kollegiale Unterrichtshospitationen sowie der enge Austausch zwi­schen Kindergärten, Grundschulen bzw. weiterführenden Schulen werden empfohlen. 

Das Leseverhalten von Jugendlichen in der Freizeit

In der öffentlichen Wahrnehmung hat es den Anschein, als ob die Bedeutung des klassi­schen Text-Lesens im Allgemeinen und des Bücher-Lesens im Besonderen gerade bei jün­geren Leserinnen und Lesern zunehmend von der Rezeption „neuer“ Medien wie Videos, Animationen oder Kürzesttexten verdrängt würde. Tatsächlich aber ergänzen einander die unterschiedlichen Spielarten des Lesens. Leserinnen und Leser wählen zunehmend bewusster aus, welches Medium sie zu welchem Zweck auf welche Art und Weise nutzen. Die Zahl der lesenden Jugendlichen ist über Jahre stabil, weil Kommunikationsprozes­se zunehmend verschriftlicht werden. Informelles Lesen in digitalen Medien prägt Alltag und Freizeit vieler Jugendlicher.

Diese neuen Entwicklungen ermöglichen neue, spielerische Formen der Leseförderung und des produktiven Umgangs mit Texten und Bildern.

 

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